Das von Stanley etablierte und heute noch verwendete Nummernsystem für Hobel erscheint auf den ersten Blick logisch, beim genaueren Hinsehen tuen sich jedoch einige Ungereimtheiten auf. Im folgenden Artikel wollen wir uns die Strukturierung für die Metallhobel und ihre Nummern genauer ansehen und etwas mehr Klarheit schaffen.
Es begann vor fast 200 Jahren...
Leonard Bailey, 1825 im US-Bundesstaat New England geboren, startete seine Karriere zunächst als Schreiner, bevor er ein bedeutender Werkzeugmacher, Erfinder und Unternehmer wurde. Zwischen 1850 und 1870 patentierte Bailey knapp 50 Schreinerwerkzeuge, Druck- und Bürovorrichtungen. Sein Patent von 1867 beschreibt Verbesserungen des Handhobels, die uns heute noch vertraut sind: das Hobeleisen kann mittels eines Hebelmechanismus entlang eines 45-Grad-Bettes (Frosch) bewegt und durch eine spannbare Klappe fixiert werden.
Bild: Patent US RE6498 E, Quelle: Dictionary of American Tool And Machinery Patents
Bailey produzierte zunächst in eigener Regie, bis er sich 1869 mit der „Stanley Rule and Level Company“ zusammenschloss, welche fortan die Rechte erhielt, Hobel unter Bailey’s Patenten herzustellen. 1875 trennte man sich auf Grund von Uneinigkeiten. Kurz danach trat Bailey mit seinen überarbeiteten „Victor“ Hobeln als Marktbegleiter an. Streitigkeiten auf Grund von Patentverletzungen, führten dazu, dass die Victor Produktion aufgekauft und später eingestellt wurde.
Stanley „Bailey“ Bench Planes
Hierunter fallen die sog. Bankhobel, zu denen lt. der TTTG (The Traditional Tools Group) allgemein Hobel mit flacher Sohle gezählt werden. Sie lassen sich laut Stanley-Katalog von 1914 in vier Klassen einteilen:
Smooth Planes (No. 1 bis No. 4½)
In unserer deutschen Holzhobel-Einteilung sind Smooth Planes zwischen Putz- und Schlichthobel einzuordnen. Somit sind sie gut geeignet für die Endbearbeitung und Glättung bereits planer Holzoberflächen. Ursprünglich gab es bei diesen „Bailey Planes“ die Modelle 1, 2, 3, 4 und 4½. Sie unterscheiden sich primär in der Hobellänge, der Eisenbreite und folglich dem Hobelgewicht. Das kleinste Modell 1 hat eine Länge von 5½ Zoll (ca. 14 cm). Es wurde von 1867 bis 1943 gefertigt und wird heute noch in ähnlicher Bauweise von wenigen Anbietern nachempfunden. Stanley-Originale dieser Größe sind heute begehrte Sammlerstücke.
Das Modell Nr. 4 ist der Standard Smoothing-Plane, der auch heute noch in verschiedenen Preis- und Güteklassen und unter verschiedenen Marken angeboten wird. Am oberen Ende dürfte mitunter die bronzene Variante der amerikanischen Firma Lie Nielsen stehen.
Bild: Lie Nielsen Bronze Smooth Plane No. 4
(mit freundlicher Genehmigung von Lie-Nielsen Toolworks)
Das Modell 4½ ist das größte Exemplar dieser Smooth Plane Kategorie und hat eine Hobellänge von 10 Zoll (ca. 25,4 cm).
Die Modelle 2 bis 4½ wurden zudem noch in einer „C“ Version („corrugated“) angeboten, bei der die Hobelsohle mit Längsrillen versehen ist. Damit soll die Reibung zwischen Sohle und Werkstück reduziert werden.
Jack Plane (No. 5, No. 5¼, No. 5½) und Fore-Plane ( No. 6, No. 62)
In der Literatur aus dem 17. Jahrhundert ist nachzulesen, dass es sich bei einem Jack- bzw. Fore-Plane um dasselbe Hobelmodell handle. In alten Stanley Katalogen wird jedoch zwischen Jack- und Fore-Plane unterschieden: der Jack Plane Nr. 5, der kürzere der beiden, eignet sich demnach insbesondere für den groben und schnellen Holzabtrag. Sein Eisen ist daher manchmal leicht konvex angeschliffen, die Ecken des Eisens ragen nicht über die Hobelsohle hinaus. Somit ist der Jack Plane das metallene Pendant zu unserem hölzernen Schrupphobel. Verwirrenderweise ist das Modell Nr. 5¼ etwas kleiner als die Nr. 5. Er wird auch als „Junior Jack Plane“ bezeichnet. Der Nr. 5½ ist mit seinen 378 mm Länge wiederum etwas größer als die Nr. 5.
Ein Fore-Plane – der Stanley Nr. 6 – wird auch als kurzer Jointer-Plane bezeichnet. Der Name „Fore Plane“ stammt angeblich aus der Bearbeitungsreihenfolge: bei einem sägerauen Brett greift man zuerst zu diesem Hobel, bevor (englisch: before) man zu anderen Hobeln greift.
Logisch wäre allerdings, dass man erst zum kürzeren Jack Hobel greift und danach zum Fore Plane oder gleich zum Jointer Plane.
Praktisch sind beide Typen, Jack- und Fore-Plane für das anfängliche Schlichten roher Holzflächen geeignet.
Eine besondere Rolle spielt der Schlichthobel No. 62. Die Hobeleisenauflage besitzt einen besonders flachen Bettungswinkel von meist 12°, wodurch der Hobel auch als Flachwinkel-Hobel bezeichnet wird. Zudem wird das Hobeleisen mit der Phase nach oben eingesetzt. Dieser sogenannte „Bevel-Up“-Einbau ermöglicht mit einem flachen Fasenwinkel des Eisens – typischerweise 25° – einen besonders flachen Schnittwinkel. Dies ist insbesondere bei schwierigen Maserungen oder beim Bearbeiten von Hirnholz von Vorteil.
Bild: Stanley Flachwinkelhobel No. 62
Try Planes und/oder Jointer Planes (No. 7, No. 8)
Die Bezeichnung „Try Plane“ wird mitunter für das Modell Nr. 7 verwendet. Der Name leitet sich aus dem Englischen „trying“ oder „truing“ ab, also dem Abrichten einer Holzoberfläche. Der offensichtliche Unterschied zum Nr. 8 „Jointer Plane“ ist die Hobellänge von „nur“ 22 Zoll (56 cm) gegenüber 24 Zoll (ca. 61 cm). Zudem, hier gehen jedoch die Auslegungen im Laufe der Hobelgeschichte auseinander, hat der klassische Try Plane ebenfalls ein leicht konvexes Eisen, damit große Flächen ohne Spuren der Hobeleisen-Ecken geebnet werden können.
Das Stanley Modell Nr. 8 wird weitaus konsistenter als „Jointer Plane“ bezeichnet. Der Name stammt vom Prozess des Fügens (engl. „jointing“), also dem exakten Abrichten von Brettkanten für das anschließende Verleimen.
Letztendlich können beide Modelle zum Abrichten von großen Flächen oder zum Richten und Glätten langer Kanten verwendet werden – analog zu unserer Raubank.
Stanley Block Planes – Einhandhobel
Diese Hobel sind deutlich kleiner und einhändig bedienbar, ideal für feine Arbeiten und das Optimieren von Passungen. Die Bezeichnung „Block Plane“ leitet sich laut Stanley von „Blocking in“ ab, womit im Englischen das Hobeln von Hirnholz quer zur Faser bezeichnet werden kann.
Stanley hat im Laufe der Jahre eine Vielzahl von Block-Plane Varianten angeboten. Zusammenfassend unterscheiden sich die zahlreichen Modelle hauptsächlich
Bild: Veritas Einhandhobel
im Schnittwinkel, in der Möglichkeit einer Hobelmaulverstellung, im Griffdesign, in Größe und Gewicht, sowie hinsichtlich der Hobelkörpermaterialien.
Eine genaue Betrachtung der einzelnen Modell soll Thema eines eigenen Fabricium Blog-Beitrags werden.
Wer die Wahl hat, hat die Qual?
Bei der großen Variantenvielfalt an verschiedenen Hobelmodellen stellt sich natürlich die Frage, welche davon sinnvollerweise für die eigene Werkstattausstattung benötigt werden.
Der Artikel „Bench Planes: The System of Three“ aus Popular Woodworking regt dazu an, die geplanten Arbeitsschritte zu überdenken, um so zu einer passenden und reduzierten Auswahl zu kommen. Statt vieler spezialisierter Hobel werden nur drei essentielle Modelle vorgeschlagen, die das Ebenen, Glätten und Fügen von Holzoberflächen abdecken.
Ich selbst verwende in der Regel einen No. 4 Smoothing Plane, einen Flachwinkel-Schlichthobel No. 62 und einen Handhobel für feine Arbeiten und komme damit bestens zurecht. Die Aufgabe des Jointer-Planes übernimmt bei mir die Abricht-/Dicken-Hobelmaschine.
Dieser minimalistische Ansatz erleichtert besonders Einsteigern die Auswahl und reduziert den Werkzeugbedarf, ohne an Vielseitigkeit einzubüßen.